Nach 15 Jahren im Verwaltungsrat, davon 12 Jahre als Präsident, trat Paul Hälg gestern an der Generalversammlung des Unternehmens in Baar von seinem Amt zurück. Die Ethos Stiftung, die dazu beigetragen hatte, die Unabhängigkeit eines Flaggschiffs der Schweizer Industrie zu bewahren, als dieses Ziel eines Übernahmeversuchs durch seinen Hauptkonkurrenten war, ergriff das Wort, um ihn zu würdigen.
Es war vor fast zehn Jahren, Anfang Dezember 2014. Die Familie Burkard gab ihre Entscheidung bekannt, ihre Beteiligung an Sika an Saint-Gobain zu verkaufen. Das waren nur 16.1% des Kapitals, aber 52.4% der Stimmrechte, wodurch das französische Unternehmen de facto die Kontrolle über seinen Hauptkonkurrenten erlangte. Diese Übernahme ging mit einer Prämie von fast 80% auf den Aktienkurs zugunsten der Gründerfamilie einher. Aufgrund der sogenannten «Opting-out»-Klausel in den Statuten von Sika zu dieser Zeit wurde den anderen Aktionärinnen und Aktionären kein Angebot unterbreitet.
Diese Ankündigung war der Beginn eines langen Kampfes zwischen der Familie Burkard und Saint-Gobain auf der einen Seite und den unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungsrats von Sika, angeführt von Präsident Paul Hälg, sowie einem sehr grossen Teil des Aktionariats, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens, auf der anderen Seite. Dieser Kampf dauerte schliesslich mehr als drei Jahre, bis im Mai 2018 eine Einigung zwischen den verschiedenen Parteien erzielt wurde, die durch den kontinuierlichen Anstieg des Aktienkurses von Sika in all diesen Jahren erleichtert wurde.
Die Ethos Stiftung, die sich für die Einhaltung von Best Practices im Bereich der Corporate Governance einsetzt, wurde rasch involviert. Wenige Wochen nach der Ankündigung des Verkaufs der Beteiligung der Familie Burkard mobilisierte Ethos Pensionskassen, die an Sika beteiligt waren, um an der Generalversammlung einen Antrag zur Streichung der «Opting-out»-Klausel aus den Statuten des Unternehmens zu stellen. Diese starke Mobilisierung stellte ein wichtiges Zeichen der Unterstützung für die unabhängigen Mitglieder des Verwaltungsrats dar, die unter dem Vorsitz von Paul Hälg beschlossen, die statutarische Klausel zur Begrenzung der Vorzugsstimmrechte für die Aktien, die bis dahin von der Familie Burkard gehalten worden waren, anzuwenden. Die Aktivierung dieser Klausel verhinderte somit die Übernahme der Kontrolle durch Saint-Gobain.
Unerschütterlicher Mut und Loyalität
Diese mutige Entscheidung wurde später von der Familie Burkard vor Gericht angefochten. Die Ethos Stiftung trat daraufhin als « Nebenintervenientin » vor Gericht auf, um die unabhängigen Mitglieder des Verwaltungsrats erneut zu unterstützen.
Die unabhängigen Mitglieder des Verwaltungsrats haben in all diesen Jahren ihre Loyalität und ihren Einsatz unter Beweis gestellt, um zu verhindern, dass ein Flaggschiff der Schweizer Industrie in die Hände seines Konkurrenten fällt, und um die Interessen der Minderheitsaktionäre, die immerhin 84% des Kapitals ausmachten, sowie aller Anspruchsgruppen des Unternehmens zu wahren.
Gestern Abend in Baar, an der letzten Generalversammlung unter dem Vorsitz von Paul Hälg (er beschloss, nach 15 Jahren im Verwaltungsrat zurückzutreten), hat die Ethos Stiftung Paul Hälg geehrt. Rudolf Rechsteiner, seit 2018 Präsident der Ethos Stiftung, hielt eine Rede und erinnerte an den «ausserordentlichen Mut», den er in all diesen Jahren bewiesen hatte.
Am Ende hat sich die Beibehaltung der Unabhängigkeit von Sika gelohnt. Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Unternehmen von einem Jahresumsatz von CHF 5.6 Milliarden im Jahr 2014 auf CHF 11.2 Milliarden im Jahr 2024 verdoppelt und ist von 16'900 auf 33'500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit (davon über 2'000 in der Schweiz) gewachsen. Der Aktienkurs stieg von rund CHF 48 zum Zeitpunkt des Übernahmeversuchs auf heute fast CHF 270, womit die Sika-Aktie eine der erfolgreichsten an der Schweizer Börse ist.
Was die «Opting-out»-Klausel und die dualen Aktienklassen betrifft, so wurden beide 2018 unmittelbar nach Abschluss der Einigung zwischen den beiden Konfliktparteien aus den Statuten gestrichen, wodurch die Gleichbehandlung aller Aktionäre gewährleistet wird.